Quo vadis, Luxusmarkt?


Der globale Umsatz mit Luxusgütern ist in den vergangenen 20 Jahren stark gewachsen – laut Statista auf einen Spitzenwert von mehr als 280 Milliarden Euro im Jahr 2021. Die Pandemie hat allerdings auch die Luxusbranche getroffen und das Shopping-Verhalten hin zu mehr Web-Einkäufen verändert. Wie wird sich der Markt in Zukunft entwickeln und welche Chancen liegen in digitalen Marketing-Lösungen? Zu diesen und weiteren Fragen hat Julia Wittich-Sauer, Director Business Development/Director Publisher Partnership CEE (DACH/Eastern Europe) bei Criteo, mit Digital-Expertin Maria von Scheel-Plessen gesprochen, die seit Jahren im Segment der Luxusmarken wie Gucci und Montblanc tätig ist. 



Julia Wittich-Sauer
Maria von Scheel-Plessen

Julia Wittich-Sauer: Wie hat sich der Luxusmarkt in den vergangenen Jahren entwickelt? Hat die Pandemie das Kaufverhalten der Luxusmarken-Käuferinnen und -Käufer verändert?

Maria von Scheel-Plessen: Durch die Lockdowns ist die Zahl der Online-Kunden in der Luxusindustrie stark gewachsen. Diese stammen  insbesondere aus der Zielgruppe der 20- bis 25-Jährigen. Vor der Pandemie verhielten sich Nutzer beim Onlineshopping eher konservativ. Nun gibt es diverse Limited Editions, die online und auch oft über die App verkauft werden. Trotz des Endes der Lockdowns und anderer Covid-Beschränkungen sehen wir, dass viele Kunden auch weiterhin im Web shoppen. Der Branche ist es also gelungen, ein entsprechendes Vertrauen aufzubauen. 

Außerdem verkaufen sich die Bestseller der Marken gut (beispielsweise Burberry-Trenchcoats, Hermes-Klassiker), da sie als Investment gesehen werden – insbesondere wenn Materialien wie Gold oder Diamanten verarbeitet worden sind.

Was sind – nach dem Aus der Third-Party Cookies − die nachhaltigen und innovativen Alternativen, um die richtige Zielgruppe zu erreichen? 

Maria von Scheel-Plessen: Idealerweise stehen schon die Attributionsmodelle bereit, die ein gutes Verständnis bezüglich des Online- und Offline-Funnels geben. Diese sind insbesondere in der Luxusindustrie sehr wichtig, die noch immer 80 Prozent ihres Umsatzes über den stationären Handel generiert.

Wir arbeiten schon an Predictive Buying, um die Mediakanäle zu automatisieren. Zudem haben wir bereits seit ein paar Jahren Kohorten mit unseren Partnern aufgesetzt, um diese im Targeting einzusetzen. 

Um unsere First-Party Daten ideal nutzen zu können, haben wir sogenannte CRM X Media Journeys aufgebaut: Wir haben dabei Salesforce Advertising für unsere Ad-hoc- und Always-on-Media-Kampagnen im Bereich Display und Paid Social aktiviert und dann diverse Segmentierungen aufgesetzt, um Tests zu automatisieren. Wir nutzen konstant A/B-Tests. Zum Beispiel werden "Recent Website Visitors" über Paid Social bespielt oder “Non CRM Openers” in die Facebook-Kampagne integriert. 

Mit unseren größten Partnern installieren wir nun Data Clean Rooms. Viele Lösungen sind definitiv innovativ, allerdings bleibt die Nachhaltigkeit dabei auch immer wieder umstritten. Wir befinden uns noch im "Test-and-Learn"-Ansatz. 

Bitte nenne aktuelle Dos and Don'ts im Branding von Luxusmarken.

Maria von Scheel-Plessen: Zu den Dos zählen die Personalisierung und die Positionierung zu wichtigen Werten wie Nachhaltigkeit, in unserem Fall die Kreislaufwirtschaft, oder auch Diversität sowie die stärkere Nutzung von Video-Content, um das Storytelling effektiv umzusetzen und die emotionale Bindung zum Kunden aufzubauen. Customer Centricity, wie sie Amazon schon lange lebt, kommt nun auch in der Luxusindustrie an.

Zu den Don’ts wiederum gehören das Aufsetzen einer Branding-Strategie aufgrund der Historie einer Marke, ohne Innovationen und Consumer Research mit einfließen zu lassen, sowie zu viele Kollaborationen, sodass der Kunde den Überblick und Bezug zur Marke verliert. Die Digitalisierung des stationären Einzelhandels muss in derselben Geschwindigkeit stattfinden wie die Positionierung des Online Flagship Stores. Ein Don’t wäre dabei die  unterschiedliche Kundenwahrnehmung der Marke online und offline.

Worauf kommt es bei einer Omnichannel-Strategie im Luxussegment heute an? Ihr setzt beispielsweise neben AR, VR und KI-Chatbots auch auf virtuelle Versionen eurer Kollektionen und Produkte. Inwiefern sind diese Elemente für ein Omnichannel-Erlebnis der Kunden wichtig? Werden solche Angebote schon von der Breite eurer Kundenbasis nachgefragt oder befinden wir uns im Experimentierfeld mit First Movern?

Maria von Scheel-Plessen: Ich sehe erst seit ein paar Wochen einen sehr starken Anstieg der Nachfrage nach virtuellen Versionen der Kollektionen. Wir sind First Mover, es ist ein toller Kanal für Limited Editions und für unsere grundsätzliche Positionierung. Wir haben uns für eine spielerische Herangehensweise entschieden, in der es noch kein Richtig oder Falsch gibt. Es ist wichtig, bereits jetzt Erfahrungen zu sammeln, um entscheiden zu können, ob eine weiterführende Strategie aufgesetzt werden sollte.

Wie wichtig ist es für Luxusmarken, sich schon heute beim Thema Metaverse zu positionieren? Und in welcher Form?

Maria von Scheel-Plessen: Es ist erst einmal wichtig, das Metaverse zu verstehen. Noch ist es sehr rudimentär, wenn man sich das Setup anschaut, auch wenn es aktuell sehr gehypt wird. Es stellt jedoch eine tolle Chance für Marken dar, Neukunden zu gewinnen und sich dort einmal auszuprobieren. Es wird ja so ziemlich alle Produkte, die wir im Alltag nutzen, auch im Metaverse geben − vom Ikea-Tisch bis hin zu Handtaschen und Caps. Andererseits liegt das Durchschnittsalter der Nutzer zwischen 30 und 35 Jahren und bevor eine Metaverse-Strategie aufgesetzt wird, sollte zunächst eruiert werden, inwieweit dies die Target Group der Marke darstellt. Meine Empfehlung wäre der Aufbau eines Digital Space im Metaverse The Sandbox oder die Produktintegration in Spielen, die in einem der diversen Metaversen gehostet werden.

Der Secondhand-Markt wächst exponentiell, er professionalisiert und digitalisiert sich zunehmend. Haupttreiber dieser Entwicklung ist das sich verändernde Einkaufsverhalten der Zielgruppen Gen Z und Millennials. Auch im High-End- und Luxusbereich ist die Akzeptanz von Secondhand in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Wie siehst du hier das Potenzial?

Maria von Scheel-Plessen: Im Secondhand-Markt steckt sehr viel Potenzial, um Insights zu bekommen: Welche Trends können eventuell wieder aufgelegt werden? Welche Muster und Produktmerkmale sind gefragt? Wie können Klassiker neu erfunden werden? Der Firsthand-Markt profitiert ganz stark von der Nachfrage im Secondhand-Markt. Da viele Kollektionen komplett ausverkauft sind, können interessierte Kunden Secondhand-Produkte kaufen, ohne lange warten zu müssen.

Viele Marken lassen die damaligen Highlights und Werbekampagnen im aktuellen Kontext wiederauferstehen, was sehr spannend und zudem authentisch ist. Schwierig wird es im Bereich SEA und Affiliate Marketing, da die Gen Z auch sehr stark an den Angeboten von Multi-Retailern interessiert ist, um eine größere Auswahl zu haben. 

Weitere Trends im Luxus-Segment

1

Digitalisierung des Retail Netzwerkes. Dazu zählen zum Beispiel Click & Collect und interaktive Experience.

2

Das Aufsetzen diverser Studien zum Thema Upper Funnel / Awareness: Wie bleiben wir als Marke relevant, welche Mediakanäle tragen am stärksten zur Markenwahrnehmung bei?

3

Social Commerce, ein Trend, der aus Asien zu uns kommt. TikTok und LinkedIn sind top Verkaufskanäle.

4

Programmatic Advertising. In der Luxusindustrie funktioniert es allerdings aufgrund der höheren Preise noch nicht mit positivem ROI.

5

Transformation durch Kollaboration von Brands und Markenbotschaftern: zum Beispiel Tiffany und Jay-Z/Beyonce mit Gucci und The North Face.

6

Es wird neue Job Profile geben: Data Scientists, Data Engineers und Marketing Analysts. Die Kombination aus Lifestyle Marketeer und Data Manager ist sehr rar und gerade absolut gefragt.

7

Unternehmenswandel: die Entwicklung vom produktorientierten zum verbraucherorientierten Unternehmen.



Über Maria von Scheel-Plessen

Maria von Scheel-Plessen ist eine bekannte Rednerin und Digital-Enthusiastin. Als EMEA-Direktorin betreut sie die Bereiche Medien, Werbung und E-Commerce bei Gucci in 37 Märkten. Zuvor war Maria vier Jahre lang Global Head of Media & Advertising bei Montblanc, wo sie die weltweite Medien- und Werbestrategie für 22 Märkte über alle Online- und Offline-Kanäle hinweg beaufsichtigte. Zu ihren weiteren beruflichen Stationen gehört Amazon, wo Maria für die Marketing- und Kommunikationsstrategie für Premiummarken auf Amazon in Deutschland, Italien und Spanien verantwortlich zeichnete. Zudem war sie bei Rocket Internet als Head of Communications für Südostasien bei Zalora (asiatisches Zalando) tätig.

Maria ist Absolventin der London School of Economics. Ihre große Leidenschaft ist die Digitalisierung in verschiedenen Branchen − von Start-ups bis hin zu Luxusunternehmen. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen im Digital- und Offline-Marketing, in der digitalen Transformation sowie im B2B- und B2C-Kundenmarketing und -management.

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