Deep Dive

Scheitern ist eine Option  Lernen nicht

Nicht nur das Silicon Valley arbeitet an der Zukunft der AdTech-Industrie. Ein wichtiger Beitrag kommt auch aus dem 9. Arrondissement in Paris. Dort forscht das AI Lab von Criteo an künstlichen Intelligenzen und beschäftigt sich mit Algorithmen, maschinellem Lernen und auch Spieltheorie  überaschenderweise aber nicht mit dem vordefinierten Ziel, stets neue Werbetechnologie-Lösungen zu finden. „Wir entwickeln keine KI für unsere Produkte, sondern unsere Produkte sind so konzipiert, dass sie unsere KI nutzen können“, fasst Romain Lerallut den Leitgedanken zusammen. 

Der VP Engineering leitet das KI-Labor im Herzen von Paris, ein Innovationszentrum, das wissenschaftliche Forschung ebenso betreibt wie die Entwicklung von Prototypen. Die Einrichtung leistet akademische Arbeit auf höchstem Niveau, inklusive viel beachteter Publikationen, arbeitet aber auch ganz konkret an neuen KI-Funktionen für die Werbelösungen von Criteo. 

Im Interview mit dem Commerce Media Magazin geben Romain Lerallut und Liva Ralaivola, der als VP Research für die akademische Forschung verantwortlich ist, einen kleinen Einblick in ihre Arbeit. So verrät Liva Ralaivola, dass er sich gerade mit dem Einsatz von Spieltheorie beim Einkauf von Werbeinventar beschäftigt. Dies sei nämlich ähnlich komplex wie ein Pokerspiel: Neben der Kenntnis der Regeln brauche man auch feine Antennen” für das Spielverhalten der Mitspieler bzw. Mitbieter, um erfolgreich sein zu können.


Romain Lerallut
Liva Ralaivola

Romain, Liva, wie lange dauert es, bis eine KI das ganze Interview selbst machen kann und wir nicht mehr miteinander reden müssen?

Romain Lerallut: Ich denke, wenn das Interview via Text stattfindet, wäre es heute schon möglich. Aber was denkst du, Liva? 

Liva Ralaivola: Es ist absolut möglich, einer KI zu sagen: „Okay, simuliere ein Interview zwischen uns.“ Das würde funktionieren. 

Das bedeutet, dass wir in diesem Interview etwas Überraschendes tun müssen, damit die KI dieses Gespräch nicht kopieren oder simulieren kann. Also gut, fangen wir damit an. Wir wollen über künstliche Intelligenz und über digitale Werbung sowie den Stand der Forschung bei Criteo sprechen. Vielleicht könnt ihr uns kurz einen kleinen Einblick geben, woran ihr gerade arbeitet. 

Liva Ralaivola: Zwei Themen halte ich derzeit für besonders interessant. Das erste: Datenschutz in Verbindung mit Kryptographie. Also: Wie schütze ich überhaupt die Daten, mit denen ich arbeite? Wären die Daten ungenügend geschützt, bestünde die Gefahr, dass sie nach außen dringen können oder verzerrt oder angegriffen werden.  

Und das zweite? 

Liva Ralaivola: Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, ob das, was wir über Spieltheorie und Ökonomie wissen, auch dann noch gilt, wenn Teilnehmer – wir nennen sie Agenten  keine rationalen Agenten mehr sind, wenn nämlich KI-Agenten voneinander lernen und miteinander konkurrieren können. 

Das betrifft Themen wie Ad Buying und Real Time Bidding? 

Liva Ralaivola: Genau. Wie müssen diese Agenten mit Wettbewerb und Zusammenarbeit umgehen, damit sie die besten Entscheidungen treffen können? Ein gutes Beispiel hierfür ist das Pokerspiel. Es ist schwer zu lernen. Man muss nicht nur die Regeln kennen, sondern auch analysieren, wie der Gegner spielt, um dann entscheiden zu können, ob man mit einer aggressiven oder einer abwartenden Taktik vorgeht. Manchmal ist auch der Bluff die richtige Entscheidung. 

Konkret auf das Business übertragen heißt das, dass wir uns die Frage stellen, wie man ein Budget strategisch einsetzt. Die Marktplätze sind so designt, dass sich die Aktionen gegen dieselben Gegner immer wiederholen. Man muss also von ihnen lernen, sich mit ihnen messen und auf lange Sicht das Beste daraus machen. Wir wollen langfristig die Gewinne für unsere Kunden maximieren. 

Romain, bist du ein guter Pokerspieler? 

Romain Lerallut: Ich bin eigentlich ein schrecklicher Pokerspieler. Ich bin in vielen Dingen furchtbar und das ist der Grund, warum ich es vorziehe, Maschinen die Arbeit für mich erledigen zu lassen. 

Aber ernsthaft: Unsere Aufgabe ist nicht die Entwicklung von Produkten, sondern die Forschung und Förderung von Wissenschaft und Technologie. Das kommt dann jedoch wiederum häufig unseren Produkten zugute. Man könnte sagen: Wir entwickeln keine KI für unsere Produkte, sondern unsere Produkte sind so konzipiert, dass sie unsere KI nutzen können. In einigen Fällen bieten unsere wissenschaftliche Forschung und die Arbeit an neuen Technologien interessante Möglichkeiten für Criteo. Ob wir uns dann in diese Richtung bewegen und Produkte rund um diese neue Technologie entwickeln, ist eher eine strategische Entscheidung. 

Kannst du uns einmal ein konkretes Beispiel dafür geben? 

Romain Lerallut: Als sich abzuzeichnen begann, dass die Werbezukunft voraussichtlich ohne Third Party-Cookie gestaltet werden muss, überlegten wir, was wir tun können – und als eine von mehreren Ideen entwickelten wir bereits 2019 unsere Contextual Analysis Engine. Wir konnten das, weil es unser Lab erlaubt, dass wir maschinelles Lernen und KI in sehr großem Maßstab betreiben können. Schließlich mussten wir Webseiten, Produkte und Nutzerverhalten gleichzeitig analysieren. Zudem wussten wir, dass wir einen Teil der wegfallenden Informationen durch unser First Party Media Network behalten und miteinfließen lassen konnten. Das alles hat uns bei der kontextbezogenen Technologie einen erheblichen Vorsprung verschafft. 

Wie wichtig oder wie groß ist die Rolle der künstlichen Intelligenz und der Criteo-Lösungen heute?  

Romain Lerallut: Es ist wie gesagt wichtig, zu verstehen, dass die Criteo-Produkte so konzipiert sind, dass sie die von uns entwickelte KI-Engine nutzen. Unsere Idee war immer, dass es uns gelingt, die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Player perfekt aufeinander abzustimmen, also der Publisher, der Werbetreibenden und der Nutzerinnen und Nutzer. Nur dann ist es möglich, die Nadel im Heuhaufen zu finden: die richtige Werbung zum richtigen Zeitpunkt für die richtige Person mit der richtigen Botschaft auszuliefern. Wenn man das mithilfe von KI schafft und das Geschäftsmodell darauf abgestimmt ist, dann hat man ein sehr leistungsfähiges Unternehmen, das sehr nachhaltig und robust ist, weil alles auf die Anreize jedes Akteurs in der Kette optimiert ist. 

Das AI Lab ist jetzt bald fünf Jahre alt. Vielleicht kannst du uns einen kleinen Rück- und Ausblick geben?

Romain Lerallut: In den ersten Jahren mussten wir erst einmal unseren technologischen und Engineering-Stack aufbauen. Bevor man Experimente machen kann, braucht man eine solide Grundlage. Man muss ein Labor aufbauen, alle Systeme müssen funktionieren und man muss die Möglichkeit haben, viele neue Technologien zu testen und viele Experimente durchzuführen. Es ist so, als hätten wir ein Formel-1-Auto, das auf der Rennstrecke wirklich superschnell fährt. Aber jetzt brauchten wir ein Rallye-Auto mit Vierradantrieb, das überall hinfahren und neue Dinge erkunden kann. Wir haben also viele neue Technologiebausteine entwickelt, die wir dann für die oben erwähnte kontextbezogene Analyse nutzen konnten. Wir haben viel mit Produktbildern und Produkttexten gearbeitet. Zudem haben wir uns mit der Recommendation Engine und der Bidding Engine beschäftigt. 

Es gibt aber noch eine Sache, die bis jetzt nur am Rande erwähnt wurde, die aber wichtig ist. 

Und die wäre?

Romain Lerallut: Wir erwarten nicht, dass alle unsere Projekte erfolgreich sein werden. Eigentlich erwarten wir, dass die meisten von ihnen scheitern. Nur so gehen wir an unsere Grenzen und stellen auch die schwierigen Fragen. Auf fünf Projekte, die scheitern, kommt eines, das erfolgreich ist, und das wird dem Unternehmen einen erheblichen Wert bringen. 

Glaubt ihr, dass KI die Schlüsseltechnologie oder das Benzin ist, das die AdTech-Industrie in den nächsten Jahren antreiben wird?

Liva Ralaivola: Ich habe im Bereich maschinelles Lernen promoviert. Ich war Assistenzprofessor und Professor für maschinelles Lernen und kenne mich mit maschinellem Lernen bestens aus. Ich werde also mit Ja antworten. Ich denke, dass maschinelles Lernen in den nächsten Jahren eine Schlüsselrolle in der AdTech-Branche und in anderen Branchen spielen wird, in denen wir viele Daten sammeln und daraus Wissen gewinnen wollen. 
 
Und was ist dann Criteo? 

Romain Lerallut: Es ist ein Technologie- und KI-Unternehmen, das Werbung macht.


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Wenn du mehr über uns erfahren möchtest, findest du hier weitere Informationen über unsere Unternehmenskultur und Criteo als Arbeitgeber.